Meinungsmontag von Lukas Stede

Frieden schaffen ohne Waffen – und ohne die Ukraine? Das Versagen der Friedensbewegung angesichts des russischen Überfalls auf die Ukraine

Am 28. Februar und am 13. März sind jeweils mehrere hunderttausend Menschen in Berlin und anderen Städten in Deutschland auf die Straße gegangen, haben für Frieden demonstriert und ihre Solidarität zur Ukraine gezeigt. Wobei, haben sie das wirklich?

Die Demonstrationen in Berlin trugen den Titel „Stoppt den Krieg!“. Bei der letzten wurde im Vorlauf ein Aufruf veröffentlicht, der die folgende Passage enthielt: „[E]ine Erhöhung der Verteidigungsausgaben Deutschlands um 100 Milliarden € sehen wir sehr kritisch. Dem Kauf neuer Flugzeuge zum Einsatz von Atombomben stellen wir uns entgegen. Die Erhöhung der Rüstungsausgaben auf 2 % des BIP lehnen wir ab.“ Mir persönlich fällt es schwer, dieser Position zu folgen und in der deutschen Zivilgesellschaft ist dies sicher ein kontroverses Thema. Wenn man sich nicht zu einem Statement für Waffenlieferungen an die Verteidiger:innen der Ukraine durchringen kann, ok. Humanitäre Hilfe und Solidarität ist ebenfalls extrem wichtig. Wir alle wollen, dass Putin sein Militär zurückzieht und diesen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg beendet, wir alle wollen die humanitäre Lage verbessern und wir alle wollen uns mit den Ukrainer:innen solidarisieren – dies habe ich als gesellschaftlichen Konsens ausgemacht, wobei hier viele politische Details sicher noch diskutiert werden müssen. Aber warum klammert man dieses Thema dann nicht einfach aus? Die gesellschaftliche Debatte muss neu geführt werden. Wir brechen aktuell mit über zwanzig Jahren deutscher Außen- und Verteidigungspolitik. Klar ist das kontrovers. Aber diese Kontroverse muss man aushalten. Hier wäre ein Fokus auf andere Dinge sicher angebracht gewesen. Es war jedoch eine andere Sache, die mich noch viel mehr schockiert hat.

Die Demonstrationen sollten unsere Solidarität mit den Menschen in der Ukraine zeigen. Sie sollten zeigen, dass wir bereit sind, Teile unseres Wohlstands für ihre Freiheit zu geben. Und sie sollten auch dazu dienen, Ukrainer:innen, den Opfern in diesem sinnlosen Angriffskrieg, eine Stimme zu geben. Die Realität in Berlin war jedoch eine andere. Bei der ersten Demo stand ich selbst vor der Bühne. Ich war schockiert über die Buh-Rufe und Pfiffe bei der ersten Demo, als eine Ukrainerin auf der Bühne auch militärische Unterstützung eingefordert hat. Wer sind wir, unabhängig unserer persönlichen Position und Überzeugung, so mit den Opfern dieser Aggression umzugehen? Die Antwort des „Bündnisses für den Frieden“ ließ mich fassungslos zurück. Die ukrainischen Verbände, die offen auch für die Lieferung letaler Waffen an die Ukraine geworben haben, aktiv auszuladen, weil einem die eigenen Dogmen mehr Wert sind, als die Solidarität mit den Opfern des russischen Angriffskrieges, macht mich sprachlos. Diese Hypermoral hilft leider denen, die Demokratie und Freiheit in Kyiv, Kharkiv und Mariupol verteidigen, herzlich wenig. Und für die vielen Menschen mit Familie, Freunden und Bekannten in der Ukraine muss es sich wie blanker Hohn anfühlen. Wer sind wir, unabhängig unserer persönlichen Position und Überzeugung, so mit den Opfern dieser Aggression umzugehen?

Manchmal sollte man kontroverse Punkte besser ausklammern und sich auf das große Ganze fokussieren – insbesondere, wenn gesellschaftliche Debatten auf Grund neuer Fakten neu geführt werden müssen.

Quellen:

Großdemos für den Frieden – Stoppt den Krieg! (stoppt-den-krieg.de)

Anmerkung: Meinungsmontage spiegeln nicht zwingend die Verbandsmeinung wider.